Montag, 21. Dezember 2015

Ideen zur Realisierung des transmissiven Systems

Ausgehend von den eher theoretischen Ansätzen in den vorigen Blogs möchte ich nun einigen konkrete Möglichkeiten betrachten wie sich das transmissive System möglichst realitätsnah anwenden ließe.

STEGA - Die Stiftung für ehrenamtliches gemeinnütziges Arbeiten

Als Basis für die Bildung einer gemeinnützigen juristischen Person im Sinne des transmissiven Systems bietet sich eine Stiftung an, in deren Stiftungsstock individuelle oder staatliche Mittel eingetragen werden. Das Ziel der Stiftung ist dabei nicht primär die Finanzierung von Arbeitsplätzen, sondern die Koordination der Individuen und die Schaffung von gemeinschaftlicher Infrastruktur und die Koordination ihrer Nutzung. Soweit nicht anders möglich, müssen jedoch gewisse Qualifikationen (z.B. Buchhaltung) und Infrastrukturelemente (z.B. Maschinen, technische Geräte etc.) aus dem individuellen Sektor eingekauft werden. Als Anbieter für gemeinnütziges Arbeiten tritt die STEGA jedoch nur selten auf, da sie primär ihrer Koordinations- und Förderungsfunktion für die eigentlichen Akteure gerecht werden muss.

VEGA - Vereine für ehrenamtliches gemeinnütziges Arbeiten

Die eigentlichen Akteure, die tatsächlich gemeinnütziges Arbeiten ohne konkrete finanzielle Gegenleistung anbieten können sind gemeinnützige Vereine. Allerdings finanzieren sich diese Vereine in der Regel durch monetäre Beiträge ihrer Mitglieder, wodurch oft der Gemeinnutz des Vereins an der Mitgliedergrenze endet, und der Vereinsbeitrag als "flatrate" für Vereinleistung zur Erfüllung individueller Zielqualitäten zu bewerten ist. ein g. e.V. ist somit nicht zwingend ein VEGA. Als VEGA muss die Vereinsmitgliedschaft ohne monetäre Gegenleistung erreichbar sein. Allerdings ergibt sich aus der VEGA-Mitgliedschaft dann eine Verpflichtung zur ehrenamtlichen gemeinnützigen Arbeit im Sinne des Vereins. Wie diese konkret auszusehen hat, ist optimalerweise in einer Positionsbeschreibung in der Vereinssatzung zu klären. Konkret nutzt das Individuum seine Leistung für eine gemeinnützige Körperschaft um gemeinnützige Arbeit zu erzeugen.

Aber jetzt Butter bei die Fische. Wie würde das konkret aussehen?

Die STEGA Mitteldeutschland verfügt über ein gewisses Vermögen, das zur Förderung der ehrenamtlichen gemeinnützigen Arbeit genutzt werden kann. Der Verein greift über einen Antrag auf diese Mittel zu um z.B. Ackerland für den VEGA Essen für Hilfsbedürftige zu pachten und die Wartung und Treibstoffkosten für Landfahrzeuge zu finanzieren. In der genannten VEGA nutzen die Mitglieder diese Infrastruktur um auf dem gepachteten Land Lebensmittel zu produzieren und damit bedürftige Menschen in einer von der VEGA und den Tafeln betriebenen Kantine im Erfurter Norden  zu versorgen. Die Mitglieder setzen sich aus Menschen aller Bevölkerungsschichten zusammen, wobei der Schwerpunkt bei Arbeitslosen, Flüchtlingen, Geringbeschäftigten und Enthusiasten liegt. Wer hat welchen Vorteil davon? Der größte Vorteil liegt bei den hilfsbedürftigen Menschen, denn im Tafelbeutel sind nicht mehr nur noch Lebensmittel am Verfallsdatum, sondern auch saisonales Gemüse, Obst und ggf. Milch, Mehl oder evtl. sogar Fleisch je nach Leistung der VEGA. Die zweiten Profiteure sind die VEGA Mitglieder. Jedes Mitglied besitzt eine VEGA-Karte. Je nach Leistungsposition in der Satzung eine 5er, 10er, 20er oder 25+ Karte.

Frau A ist eine kaufmännische Angestellte, die nach der Arbeit mit dem Privatauto Lebensmittel vom VEGA Gelände zur Kantine fährt. Damit erreicht sie ca. 7 Stunden in der Woche und besitzt eine 5er Karte. Mit dieser Karte hat sie Anspruch darauf bei Bedarf (weil ihr Arbeitgeber im Betrieb gerade Kurzarbeit fährt), oder auch wenn im Beutel der Kantine zum Beispiel gerade frischer Salat von der VEGA ist, auch ohne die "Spende" von 1€ und ohne einen Hartz4-Bescheid einen Beutel (oder eine Klappbox) pro Woche  zu erhalten.

Herr B ist pensionierter Stellwerkswärter und koordiniert für die VEGA die Fahrdienste und Dienstpläne. Da er dafür pro Woche ca. 14 Stunden (ca. 2,5h pro Tag telefonieren und Pläne schreiben) investiert, besitzt er die 10er Karte. Mit dieser hat er die gleichen Ansprüche wie Frau A. Allerdings hat die Stadt Erfurt zur Unterstützung der ehrenamtlich gemeinnützig tätigen Menschen entschieden, dass für Besitzer der VEGA 10er Karte die Nutzung der öffentlichen Einrichtungen wie z.B. Museen kostenlos ist. Darüber hinaus darf Herr B, wenn er will, auch einen bei Vorstellungsbeginn freien Platz des Theater Erfurt (welches sich in Trägerschaft der Stadt befindet) belegen und sich die Vorstellung ansehen.

Die Brüder P und D sind Flüchtlinge. Sie leben zusammen mit ihrer kleinen Schwester V in einer Einrichtung im Erfurter Osten. Mit dieser sind sie vor einiger Zeit aus Armenien über Syrien und die Balkanroute nach Deutschland geflohen. P arbeitet als Regaleinräumer, während D bisher keine Anstellung gefunden hat. V geht in eine Kita der Stadt Erfurt. Über Frau A, die in der gleichen Firma arbeitet, hat er von der VEGA erfahren und arbeitet inzwischen mit seinem Bruder, der in ihrer Heimat als Landwirt gearbeitet hat, für die VEGA. Jeder der Brüder kommt saisonal bedingt und durch die Betreuung der Schwester auf durchschnittlich ca. 21 Wochenstunden auf das Jahr gerechnet. Die beiden Brüder besitzen jeweils eine 20er Karte. Neben den Leistungen die Frau A oder Herr B erhalten können, sponsern die Stadtwerke Erfurt den Besitzern einer 20er Karte die Mitfahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Brüder benutzen diese ohnehin regelmäßig um vom VEGA Gelände zur Kita und zur Einrichtung zu kommen. Darüber hinaus erhalten die Brüder den um die Einkünfte aus dem Regaleinräumer-Job gekürzten Hartz4- Satz, sind jedoch nicht weiter verpflichtet neben der e.g.A. von über 20 Stunden eine Wiedereingliederung anzustreben, da ihre Arbeitsleistung für das Gemeinwohl durch e.g.A. der besteuerten Arbeitsleistung für den individuellen Vorteil gleichgesetzt wird.

Herr M ist gelernter Schlosser, 52-Jahre alt und "schwer vermittelbar". Seit ca. 3 Jahren ist er arbeitslos, nach dem die Stelle bei einem großen Industriebetrieb der Stadt gestrichen wurde. Er bezieht nach Auslaufen des Sozialplanes ALG II  und ist durch einen Hinweis des Jobcenters auf die VEGA aufmerksam geworden. Herr M arbeitet leidenschaftlich als "Mädchen für Alles" in der VEGA, kümmert sich um Reparaturen an den landwirtschaftlichen Geräten, fährt einen Ernteanhänger, bewacht in der Nacht das Gelände und weiß in der Regel als Einziger wo die Schlüssel für den Werkzeugschuppen sind. Über das Jahr gerechnet kommt er jede Woche auf über 30 Stunden, die er mit Arbeiten für die VEGA verbringt. Laut seiner Aussage ist er froh, dass er mit seiner Arbeit anderen Menschen helfen kann, gleichzeitig seiner gelernten Arbeit nachgeht und nicht zwangsweise als Gebäudereiniger über das Jobcenter vermittelt wird. Die kleine V hat er übrigens inzwischen auch ins Herz geschlossen, während er P und D als gute Kollegen beschreibt. Dass neben den Vorteilen wie sie die Anderen auch haben, die Monate, in denen er über 25 Stunden in der Woche gemeinnützig arbeitet, als Anrechtszeiten angesammelt werden findet er auch gut. So hat er als "alter Sack" vielleicht irgendwann nichts mehr beizutragen, und hat trotzdem noch fürs Alter vorgesorgt und muss zumindest Lebensmittel und die Bahnfahrt nicht von seiner kargen Rente zahlen. Wobei, meint er an, er hat gehört in Selb wäre eine VEGA in der Entstehung, die Kleidung produzieren will. Vielleicht gibt es von denen ja dann schon eine Altherrenkollektion.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen